Haßlischer Schnorrn

…“uffgeschnappt“ von Hans-Joachim Mispagel

Es gibt vieles, was im Laufe von Jahren und Jahrzehnten in Vergessenheit gerät – sofern es nicht aufgeschrieben ist oder von Generation zu Generation weitererzählt wird. Letztlich diesem Umstand ist es zu verdanken, daß die eine oder andere Anekdote über Haßlocher „Originale“ heute noch bei Stammtisch-Zusammenkünften oder in ebbelwoiseeliger Atmosphäre ihre Runden macht.

Und eines darf der Leser zudem gewiß sein: Die Geschichten mit den betreffenden und betroffenen Personen sind nicht erfunden, sondern spiegeln oft recht deutlich Zeitgeist und Haßlocher Alltagsleben wider. Hören wir doch einfach einmal rein, was da so alles zum Besten gegeben wird.

Obrigkeit

Da war zunächst einmal die Sache mit dem Hausierer, der oftmals nach Haßloch kam, um bei den Einwohnern vor allem Messer anzubieten. Eines Tages erschien er wieder im Ort und machte seine Runde. Dabei besuchte er auch den Landwirt Johann R. in der Hauptstraße, der selbst Hausschlachtungen vornahm und deshalb stets dankbarer Abnehmer von Messern war.

Man war gerade so richtig in den „Verkaufsverhandlungen“, da ging die Torglocke der Hofreite und ein anderer Haßlocher machte seine Aufwartung. Als dieser allerdings den Hausierer mit seinem Bauchladen voll Messern sah, stieg ihm die Zornesröte ins Gesicht. „Waaste net“, so der pflichtbewußte Mann, „daß des Hannele mit Messer verbodde is. Do druff steht Strof.“ „Was wills’dn Du? Wer bis’dn eischentlich?“ entgegnete der Hausierer. „Ich bin de Ortspolizist“. Da lachte der Messerverkäufer und meinte, daß ein Ortspolizist anders aussehe als dieser Mann in Zivil. Und recht hatte er; denn vor ihm stand ein Mann mit ausgebeulten Hosen und langgezogenen Hosenträgern. „Ich bin de Ortsbolizist, und des wern ich Dir beweise.“ Sprach’s, machte kehrt und kam wenig später im Eiltempo zurück. Diesmal mit Dienstmütze und Säbel, den er sich noch schnell umgeschnallt hatte. Doch der Hüter des Gesetzes erschien vergebens, denn der Hausierer hatte auf Anraten seines „Kunden“ den Bauchladen zusammengeklappt und flugs durch den hinteren Ausgang der Scheune das Weite gesucht. Da stand sie nun, die ganze Würde des Gesetzes …und schaute „in die Röhre“.

Wette

Eine andere Geschichte rankt sich um eine Wette. Da war doch tatsächlich einmal ein Gast im „Grünen Baum“ an der Wied, der aus der Laune heraus be­hauptete, ein Handwägelchen voll Heu und 30 Eier innerhalb von zwei Stunden zu verspeisen. Und weil ihm dies keiner glauben wollte, schlug er eine Wette vor. „Nix aogenehmer als des, e Wett so leicht zu gewinne“, sagten sich diejenigen, die dagegen setzten.

Wie ging die Wette aus? Unser Freund gewann sie – und zwar auf raffinierte Art. Er ließ den Handwagen voll Heu kommen und verbrannte dessen Inhalt auf dem gekehrten Hof zu Asche. Die inzwischen von der Wirtin gesottenen Eier wurden geschält, zerkleinert und zusammen mit der Asche in einer großen Pfanne gebacken. Nicht annähernd zwei Stunden brauchte der Mann, um das für ihn wohl schmeckende Essen mit Brot und Ebbelwoi zu „verdrücken“. Und es schien ihm tatsächlich gemundet zu haben, denn es ist nicht überliefert, daß er hinterher irgendwelches Bauchgrimmen oder Magenzwicken verspürt hat. Auf den Magen dagegen dürfte die ungewöhnliche Wette all denen geschlagen sein, die sich daran beteiligt hatten. Immerhin mußten sie einen Teil ihres ohnehin schmalen Taschengeldes „berappen“.

Doppelsinn

Ja, da gibt’s auch die Episode vom „Unkel“, der beim Opel vor Mitarbeitern mit folgender Äußerung für Erstaunen gesorgt hatte: „Heit obend hab ich ebbes Großes vor. Ich fahr mid’m Schiff vun Haßlich nach Raunem un widder zurick.“ Alle hielten dies für einen Scherz, denn natürlich gab es keine Wasserweg-Ver­bindung ins benachbarte Raunheim, ganz zu schweigen davon, daß der Hor­lachgraben damals nur ein Rinnsal war. Lediglich in grauer Vorzeit floß an die­ser Stelle der Alt-Main.

Wie stellte es also der gute Mann an, um mit dem Schiff nach Raunheim zu kommen? Ganz einfach: Mit dem Fahrrad. Und was hatte es mit dem Schiff auf sich? Nun, dabei handelte es sich um den Warmwasser-Behälter, der in jedem Küchenherd der damaligen Zeit eingebaut war. Und dieses „Schiff‘ war leck geworden und wurde bei einem Raunheimer Spengler gelötet. Der „Unkel“ als wahrheitsliebender Katholik hatte also nicht „geflunkert“, als er sagte, mit dem Schiff von Haßloch nach Raunheim zu fahren.

Durst

Zum Schluß noch die Erinnerung an einen „Haßlischer“, der in seinem Stammlokal „Waldeslust“ an der Mönchbruchstraße meist tiefer als andere ins Ebbel­woiglas geguckt hatte. Er hatte schon zu Lebzeiten Gedanken darüber ange­stellt, wie es eigentlich sei, wenn er einmal im Grab liegen würde und plötzlich großen Durst bekäme. Dies beschäftigte ihn so sehr, daß er seinen Stamm­tischbrüdern gegenüber einen besonderen Wunsch äußerte: „Wenn ich emol net mer bin, so legt mer e Schleichelche bis enunner un schitt mer alsemol e Tröppsche enoi, un bitte … lost mich net verdorschte.“ Ob ihm allerdings dieser sehnlichste Wunsch erfüllt wurde, bleibt im Dunkeln.