Haßlochs Name

Wo hat Haßloch seinen Namen her?
Erklärungen von Friedel Roosen

Man muss sich wirklich fragen, weshalb unser liebliches Haßloch vermeintlich den „Hass“ im Namen trägt oder namentlich gar als „Loch des Hasses“ gelten könnte. War dies etwa ursächlich bei der Namensgebung oder ist unser Ortsname eher auf unser Wappentier, den Hasen, zurückzuführen? Stand er etwa bei der Namensschöpfung Pate? Nein, der Hase war es ursprünglich nicht. Nach eingehenden Recherchen soll nachfolgend Klarheit über die Namensherkunft unseres Ortes „Haßloch“ geschaffen werden.

In meiner Jugend hatte ich schon davon gehört, dass der Name Haßloch von der früheren Bezeichnung „Haselahi“ abgeleitet sei. Jemand hatte mir etwas von einem alten germanischen „Thingplatz“ erzählt, der einmal hier gewesen sei und ein anderer hatte von „Hasel-Lache“ als Namensursprung gesprochen, was sich bei mir gleich eingeprägt hatte, da es mir logisch erschien. Ich war nunmehr überzeugt, unser Ortsname sei wohl auf eine Kombination von „Haselgebüsch“ und „Lache“ – also auf die Lage an einer „Lache“ zurückzuführen. Lachen sind episodisch wasserführende Vertiefungen, wie zum Beispiel abgeschnürte Mäander, also Altwasser, die keine Verbindung mehr zum Fluss haben. Nun weiß man, dass Haßloch ehedem an einem alten – ursprünglich möglicherweise sogar noch schiffbaren – Mündungsarm des Mains (einem Mäander) lag, der zunehmend verlandete. Die Erklärung schien also zu passen. Warum wurde unser Ort aber nach der Hasel(nuss) benannt?

In einer Ausgabe des „Heimatspiegels“ – einer Beilage für die Heimatzeitung – aus meinem Geburtsjahr 1952, (die ich von Artur Rötger in Auszügen erhielt) konnte ich eine interessante Abhandlung zu unserem Ortsnamen lesen, die seinen Ursprung im „Hasel“-strauch bestätigte und begründete. Hier stand zu lesen (ich nehme an, von Wilhelm Sturmfels verfasst):

„…Dass er (unser Ortsname Haßloch) mit dem Familienname Heß oder Haß nichts zu tun hat, ist klar… …Vor rund 800 Jahren lautete er noch „Haselahe“. In ihm steckt also das Wort „Hasel“, an das ja auch viele andere Ortsnamen erinnern, wie Hässel, Haßlach, Hasselhaag, Hasselburg, Hasseleck, Hasselfeld, Haselhof, Hesloch und Hessellohe.

Funde aus der Steinzeit, aus alten Gräbern und Pfahlbauten deuten auf die einstmals große Verbreitung des Haselstrauchs hin, dessen Früchte einst ein ungemein wichtiges Volksnahrungsmittel waren, das gerade unsere Landschaft in reichem Maße lieferte…

…Wie stark die Hasel im Volksbewusstsein gelebt hat, geht aus zahlreichen Sagen, Märchen u. Volksliedern hervor. Dem Gott Donar oder Thor, der angeblich Macht über Wind und Wolken, Blitz und Donner besaß, war sie geweiht. Der nämliche Gott wurde als Beschützer der Erde und der Menschen angesehen und als Schutzherr des Gerichts verehrt, weshalb Gerichtsstätten mit Haselbüschen umsäumt waren. (…aha, daher also die Annahme eines Thingplatzes in Haßloch! – Anmerkung der Redaktion)

Die alten naturverbundenen Bauern pflanzten Haselhecken an, um die ungestüme Kraft des Sturmes zu brechen. Dass diese Hecken sogar heftige Gewitterstürme überstehen, ohne Schaden zu nehmen, wird schon mancher beobachtet haben. Daher hat man sie mit Vorliebe um Häuser, Ställe, Gärten, Viehweiden und an Waldrändern angepflanzt…“

So wurde in dem Artikel noch weiter die Haselnuss als Spender wertvollen Speiseöls gerühmt, dargestellt, dass dicke Stangen des Haselstrauchs der Länge nach gespalten die besten Fassreifen ergaben und dass das Laub des Hasels die Milchbildung bei Kühen und Ziegen fördere und für gelbere Butter sorge. Auch, dass Wünschelruten aus dem Haselstrauch zu gewinnen sind, wurde in dem Artikel dargestellt. – Alles in allem also schon ein ganz besonderes Früchtchen und ein gewichtiger Strauch, nach dem unser Ort benannt wurde. Ein auffallend starker Haselbewuchs ist – wie offenbar auch ehedem – selbst heute noch in Haßlochs Umgebung leicht feststellbar.

Aber was hat es nun mit dem Begriff „Lache“ in unserem Namen auf sich?

Hier konnte mir Professor Dr. Ernst Erich Metzner eine Fehlannahme wirkungsvoll ausreden. Er, der Historiker und Sprachwissenschaftler konnte mir deutlich machen, dass die Wortschöpfung „Haselahi“ oder Haselahe“ und die später davon abgeleitete Bezeichnung „Haselach“ nicht in Verbindung mit dem Wort „Lache“ standen. Viel mehr handelte es sich bei den an das Wort „Hasel“ angefügten Buchstaben „ah-i“ oder „ah-e“ um ein „Suffix“, das später umgangssprachlich von „ah-i/e“ zu „ach“ (Hasel „-ach“ und nicht etwa „Hasel – lach“ von Lache) verschliffen wurde.

Ein „Suffix“, ist ein Wortanhängsel, von dem es im Buch „Deutsche Namenskunde“ von Adolf Bach (von dem mir Erich Metzner Auszüge zuleitete) heißt: „Zur Bildung neutraler Stellenbezeichnungen (also der Bezeichnung von Orten) dient das auch dem Appellativen Wortschatz (bei Gattungsbezeichnungen wie z. B. Pflanzennamen) geläufige Suffix -ah und -ahi.“ Gerade also bei der Bildung von Ortsnamen spielen Suffixe häufig eine bedeutende Rolle und dies auch im Zusammenhang mit Pflanzennamen (z. B. das Suffix -ed bei Eschede ‚Eschenort‘). Gerade das Suffix -ah(i) diente vorwiegend zur Ableitung von Kollektiven von Baum und Pflanzennamen. Wie z. B. bei „Farmahi“ – heute Farmach bei Prien – abgeleitet von dem althochdeutschen Wort „faram“ für Farnkraut. Mit diesem Wissen lässt sich nun in der Tat recht einfach von „Haselahi“ das Wort „Hasel“ – und nur dies! – als Ursprung erschließen. Schön also, dass es unsere Heimatforscher gibt, die sich tiefgründig mit solchen Themen auseinandersetzen und uns Aufklärung zuteil werden lassen können.

„Haselach“ heißt also soviel wie „Ort, wo es viele Haseln gibt“.

Nachdem wir nun um den ursprünglichen Sinninhalt unseres Ortsnamens wissen, stellt sich die Frage, wie der weitere Werdegang unseres Ortsnamens bis zur heutigen Bezeichnung „Haßloch“ war? „Haßloch“ scheint heute eher doch an eine Kombination aus „Hass“ und „Loch“ zu erinnern, ja ein „Loch des Hasses“ scheint bei seiner Entwicklung Pate gestanden zu haben. Was ist an dieser Annahme aus Sicht von Professor Metzner dran? Bei der Beleuchtung dieser Frage greife ich auf eine seiner früheren Abhandlungen unter dem Titel „Haßloch – kein Ort für Hasenfüße und Hassgefühle“ zurück, die ich auszugsweise verwende.

Man muss bei der weiteren Entwicklung unseres Ortsnamens berücksichtigen, dass die wenigsten Menschen im Mittelalter schreiben konnten und wenn geschrieben wurde, galt zunächst der Grundsatz, man schreibt wie man es spricht. Wenn man nichts nachlesen konnte, konnten damit auch Informationen über den ursprünglichen Namenssinn im Laufe von Generationen leicht verloren gehen. Dies ganz besonders, wenn aufgrund verschiedener Umstände praktisch die gesamte oder zumindest ein Großteil der Bevölkerung „ausgetauscht“ wird. Dies ist jeweils zur Zeit der Besiedelung des Ortes durch Klosterbrüder des Klosters Eberbach, durch die Übernahme des falkensteinischen Ortes durch Mainz sowie nach einer Pestepidemie anzunehmen. Überlieferungen gingen dabei weitestgehend verloren.

Das Namenselement „-lôch“ (mit einem nasal gesprochenen „o“ – auch mit oa dargestellt) bedeutete Wald oder Gebüsch. Der Dicke Busch war ein dichtes Wald- und Buschgebiet, an das der bewohnte Ort unmittelbar angrenzte. Er dürfte wohl als Namensgeber mehrfach Pate gestanden haben. Es war nur eine kleine Lautverschiebung vom „a“ in Haselach zum ô (oa) in Haselôch erforderlich und der neue Sinn des Wortes ergab: „Haselwald“ oder „Haselgebüsch“. Wir kommen unserem Haßlocher Wappen damit bereits etwas näher, denn es wird von einem Busch geziert und das älteste Gemeindesiegel Haßlochs aus dem 18. Jahrhundert zeigt einen Wald – aber auch bereits einen springenden Hasen, der auf die spätere Missdeutung des ursprünglichen Namensinhaltes hinweist. Das Siegel wird ergänzt durch das Mainzer Rad und das Folgesiegel aus dem 19. Jahrhundert zeigt den hessischen Löwen, da Haßloch ab 1803 hessisch wurde.

Neben der eigenen örtlichen Sprachweise des Ortsnamens konnte auch die Sprachweise der Umgebung den Namen mitprägen, vor allem dann, wenn andere politische oder religiöse Einflüsse zum Tragen kamen. So waren die Jahre nach 1155, der ersten urkundlichen Erwähnung der „Villa Haselach“ (Villa = Ort) im Rahmen des Erwerbs durch das Kloster Eberbach, turbulent und durch verschiedene Territorialherrschaften geprägt.

So war die falkensteinische Zeit von 1330 -1356 besonders prägend, da in ihr eine Wasserburg in Haßloch errichtet wurde, die auch gerade dazu diente, aus sicherem Hinterhalt Kaufleute zu überfallen, festzusetzen und Lösegelder zu fordern. Auch dies prägte die Sichtweise der umliegenden Städte von Haselach. So ist erstmalig im Jahre 1356 die Schreibweise des Ortsnamens „Haseloch“ verbrieft, als davon berichtet wird, dass der Kurfürst und Erzbischof Gerlach von Mainz die falkensteinische Burg „Haseloch“ belagerte, eroberte und nachfolgend erhielt.

Der zeitliche Zusammenfall dieser Namensumformung mit den geschilderten Ereignissen erscheint nicht zufällig, denn Kuno von Falkenstein und Gerlach von Mainz waren Erzrivalen. Wen mag es wundern, dass so der ehemalige Sinn des Ortsnamens bewusst oder unbewusst „missverstanden“ und als „Haseloch“ umgedeutet wurde. Dies im Sinne von „Loch des oder der Hasen“ und im übertragenen Sinne „der Angsthasen“ oder „der Hasenfüße“, die aus sicherer Burg andere überfielen, sich aber bei dem Mainzer Angriff feige in ihre Wasserburg, „ihr Loch“, zurückgezogen hatten.

Der Ortsnamen „Haseloch“ war ab diesem Zeitpunkt offenbar für längere Zeit die sowohl im Umland wie auch in Haßloch selbst gebräuchliche Bezeichnung. Wen wundert es, wenn man bedenkt, dass „Haseloch“ nun bis 1803 zu Mainz gehörte und damit nach Erstürmung der Burg sicher ein weitgehender Austausch der Menschen im Ort – zumindest der Führungsschicht – einherging. Aber sicher war es bald ein Bedürfnis der Bewohner, wie auch der Mainzer selbst – die sogar für „Haseloch“ das Recht erwirkt hatten, es zur Stadt auszubauen – dem Namen nachträglich wieder eine harmlosere Deutung zu geben. Hier bot sich wieder die Umdeutung des nasal gesprochenen „-lôch“ für Wald an, der aus dem vorstehenden Gemeindesiegel ebenso zu ersehen ist, wie ein angedeutetes Loch. Die Bedeutung des Hasels als Namensgeber scheint in dieser Zeit aber völlig in Vergessenheit geraten zu sein, da nun eindeutig der Hase das Gemeindesiegel ziert. Also wurde der Name des Ortes – wenn man das Wappen liest – wohl damals ebenso als „Hasenwald oder -gebüsch“ wie auch als „Hasenloch“ gedeutet. Letzteres möglicherweise im Hinblick auf die noch vorhandene, im 30-jährigen Krieg geschleifte und zunehmend verfallende Burg (das Loch des Hasen).

Eine weitere Umformung unseres Ortsnamens ist im Zeichen der Religionskriege, der Reformation und Gegenreformation anzunehmen. Haßloch war bis 1617 – obwohl mainzisch – zum Kirchenspiel Rüsselsheim gehörig, und damit nach langer katholischer Zeit für rund 60 Jahre weitestgehend protestantisch. Fast das gesamte südhessische Umfeld war damals protestantisch. Ab 1617 wurde Haßloch durch Unterstellung unter die Pfarrei Flörsheim rekatholisiert. Damit liegt nun die Vermutung nahe, dass dieses nun wieder „hassenswerte Loch“ von Katholiken bei der Namensnennung durch das Umfeld eine Rolle gespielt haben dürfte. – Wer weiß?

Man begegnet der geschriebenen Namensform „Haßloch“ – wie der Sprachhistoriker Professor Metzner feststellt – jedoch vereinzelt auch bereits vor 1617. Und so folgert er, dass die Sprachgeschichte zu der Annahme zwinge, dass eine der Schreibung „Haßloch“ entsprechende Aussprache sich schon im Spätmittelalter regelrecht aus der älteren Bezeichnung „Haseloch“ oder „Haselôch“ entwickelt haben könnte. Allerdings nimmt er zugleich auch an, dass man im umliegenden evangelischen „Hessen“ die Bevorzugung und Verfestigung der Schreibweise „Haßloch“ bewusst verfolgt haben könnte, um damit den katholischen Andersgläubigen mehr oder minder unbewusst den „Haß“ zuzuschreiben und die Einwohner in einem „Loch“ wohnen zu lassen. Es passte eben. Dabei gilt es zu bedenken, dass wir noch heute in unserer Mundart „Haßlisch“ und nicht „Haßloch“ sagen und somit sicher auch früher das anders gesprochene Wort der Mundart von den Schreibbefähigten in Schriftdeutsch umgewandelt und damit in der gewünschten Form geprägt wurde.

Somit bleibt zum Ende festzuhalten, dass unser Ortsname „Haßloch“ in seiner Entwicklung tatsächlich wie ein Spielball der Geschichte zu seiner heutigen Namensgebung hin geformt wurde.