An Haßlischer Kerb

geheert un uffgeschriwwe von Friedel Roosen

Für einige Alt-Haßlocher werden die folgenden Geschichtchen, vielleicht eigene Erinnerungen wach rufen, für andere seien sie ganz einfach Anlass zum schmunzeln.
Die Geschichtchen spielen in der Zeit, als sich unsere längst erfolgreich wieder belebte Haßlischer Kerb noch in ihren Kinderschuhen steckte. Diese Kerb erlebte ein kleiner Haßlocher Dreikäsehoch – der inzwischen längst selbst zu den Kerweborsch gehörte – auf seine eigene Weise…

Es Stobbegewehr…

Schon in meiner Kindheit war es üblich zur Kerb mit „Kerwegeld“ ausgestattet zu werden. So von Eltern sowie Oma und Opa gesponsert, ging unser kleiner Haßlocher erwartungsvoll auf den Kerweplatz um zu schauen, was es für sein gutes Kerwegeld alles zu erleben gab. So fuhr er dann auch mit der „Reitschul“ und mit der „Schiffschaukel“, gab an der „Schießbud“ einige Schuss auf Blumen und sonst noch allerlei ab und entdeckte zu seinem Entzücken am Spielwarenstand ein „Stobbegewehr“ – oder zumindest eine etwas modernere Ausführung davon – das er mit seinem letzten Kerwegeld erstand.

In meiner Kindheit war der Lauf eines solchen Gewehres mit einem kleinen Korkstopfen, der an einer dünnen Kordel hing, verschlossen worden. Beim Abdrücken des Abzugs schoss der Korken mit einem lauten „Plopp“ aus der Gewehrmündung heraus. In den Gewehrlauf des kleinen Hasslochers wurde hingegen ein Plastikpfeil eingeschoben, an dessen Spitze sich ein Saugnapf aus Gummi befand. Ein Haßlocher beobachtete ihn schmunzelnd und sagte anerkennend zu ihm: „Och, was hoste jo fer e schee Stobbegewehr“. Der kleine lachte und schoss wie zur Bestätigung seinen Pfeil auf die glänzende Blechverkleidung der Schießbude ab, wo er mit seinem Saugnapf haften blieb.

Im Verlaufe des Mittags testete er so manchen Gegenstand darauf, ob sein Pfeil darauf haften blieb. Dabei ging ein Pfeil in einem fremden Garten unwiederbringlich verloren, als er eine Zaunlatte verfehlte. Ein weiterer Pfeil war ihm beim all zu hastigen Laden abgebrochen. Der letzte von den drei zu dem Gewehr gehörenden Pfeilen wurde deshalb nun von ihm gehütet wie ein Augapfel. Er hatte inzwischen festgestellt, dass der Pfeil prima auf Autofenstern oder auf Autolack haftete. Also wurden die Autos am Rande des Kerweplatzes eifrig beschossen. Dank des weichen Saugnapfs passierte den Autos dabei ja nichts und man konnte den Pfeil jedes Mal wieder abziehen, wobei ein schmatzendes Geräusch entstand.

Er hatte den Pfeil gerade wieder in den Lauf des Gewehrchens gedrückt und hielt nach einem neuen lohnenden Objekt Ausschau, als ihm ein metallic-blaues Auto ins Auge fiel. Er zielte auf das Heck des Autos. Er traf genau. Der Pfeil saugte sich fest und er lief hin, um ihn wieder abzuziehen. Aber – was war das – der Pfeil entfernte sich von ihm, denn das Auto war losgefahren und mit ihm entschwand sein Pfeil auf nimmer wieder sehn…

Peng-Peng im Karton…

Die Kerb strebte im gleichen Jahr mit der Beerdigung ihrem Ende zu. Es lief gerade die Versteigerung. Diesmal sollte es eine original „Saufmaschine“ zu gewinnen geben. Die „Saufmaschine“ war in einem großen Pappkarton verpackt und wurde nun vor dem staunenden Publikum hervorgeholt. Zurück blieb der leere Karton, der unbeachtet am Rande des Dalles unter dem Kastanienbaum liegen blieb.

Da kam unser kleiner Haßlocher wieder auf den Plan. Sein Gewehrchen hatte er immer noch dabei. Da er keinen Pfeil mehr hatte, rief er beim Abdrücken des Gewehrchens immer laut „Peng-Peng“. So stürmte er nun auch mit lautem „Peng-Peng“ zu dem großen leeren Karton, der auf der Seite lag und schoss hinein. Dann beäugte er den Karton etwas näher, kroch halb hinein und stülpte sich den Karton über. Da die Teile des Deckels herunterhingen sah man kaum noch seine Beine. Nur „Peng-Peng“ war noch etwas gedämpft aus dem Karton zu hören, als er mit ihm loslief.

Nach einigen Metern stieß der kleine Haßlocher gegen den Stamm der Kastanie und fiel mitsamt dem Karton um. Wie eine Schnecke, die aus ihrem Haus herauslugt, schaute er nun aus dem Karton heraus, um zu sehen, ob jemand seinen „Blindflug“ und seinen Sturz beobachtet hatte. Die Haßlocher Kerwegäste hatten jedoch auf etwas anderes zu achten, denn die Versteigerung war in die heiße Phase getreten. Also, – keiner etwas gesehen … – kroch er schnell aus dem Karton heraus, ließ ihn liegen wo er war und verkrümelte sich. Im Weglaufen, wie könnte es anders sein, war noch ein „Peng-Peng“ zu hören, mit dem er – mit imaginärer Kugel – den feindlichen Karton mit seinem Stobbegewehr im Geiste niederstreckte.