Haßloch – älter als man denkt

Wir wissen heute sehr viel von und über Haßloch, doch immer noch nicht genug, um endgültig zu sagen, wie alt der Ort wirklich ist. Das Jahr 1155, in dem „Haselach“ durch Erbvertrag an das Kloster Eberbach überging, das dort einen Klosterhof errichtete, stellt die erste datierte Nennung dar. Doch sicher ist auch, dass Haßloch als Dorf viel älter sein muss. Den Beweis dafür hat Prof. Dr. Ernst Erich Metzner, Rüsselsheim, in seinem Beitrag der zur 300-Jahr-Feier der Haßlocher Kirche „Heilige Dreifaltigkeit“ erschienenen Festschrift geführt. Darin heißt es gleich im ersten Kapitel: „Eine Siedlung namens, „Haselach“ ist nicht erst als Klosterhof des Mönchsklosters Eberbach auf ehemaligem Grund von St. Alban bei Mainz um 1155 entstanden und erst im 14. Jahrhundert zum Dorf geworden… “ Darauf lassen die Gemarkungsgrenzen schließen, und außerdem lag das Dorf Haßloch nah am völkerwanderungszeitlichen Untermain und nahe der wichtigen Stockstraße (sie ist vermutlich vom alemannischen König Macrian kurz nach 375 n. Chr., vielleicht in Zusammenarbeit mit römischen Baumeistern, angelegt worden). Zusammen mit den frühmittelalterlichen Gräberfeldern auf Haßlocher Gemarkung verweist dies auf eine Existenz schon in der Völkerwanderungszeit.

Auf ein hohes Alter Haßlochs deutet die Lage in der Schlinge eines durch den heutigen Horlachgraben markierten ehemaligen Mainlaufs, der bis etwa 400 n. Chr., wenn nicht noch länger, der eigentliche Mündungsarm des Mains war. Der Raum Haßloch lag also bis dahin sehr verkehrsgünstig. Allerdings muss das ältere Dorf Haßloch an anderer Stelle, aber nicht allzu fern von einem Begräbnisplatz an und unter der späteren Burg bestanden haben, vermutlich an der heutigen Rüsselsheimer Straße zwischen dem Kreuz bzw. zwischen den Gaststätten „Klaaner Hasslicher“ und „Zum Schützenhof“. Das heutige Dorf um die Wied ist durch die Aufteilung eines Klosterhofs (hierzu an anderer Stelle mehr) entstanden.

Ein weiterer Fingerzeig auf ein altes Dorf Haßloch ist der Fund einer Grabbeigabe einer byzantinischen Gussform aus dem Gräberfeld an und unter der Burg, mit der Kreuze und Ohrringe gegossen werden konnten. Er beweist, dass der Friedhof noch in einer Zeit des Frühmittelalters benutzt wurde, in der bereits das Christentum Einzug gehalten hatte. Ein weiterer Beleg für diese Annahmen ergab sich aus Skelettfunden unterhalb des Niveaus der ehemaligen Haßlocher Burg, die durch Hans Joachim Mispagel weiter untersucht wurden (siehe hierzu gesonderte Ausführungen zur Datierung eines Schädels) .

Prof. Metzner geht in seiner interessanten Beweisführung davon aus, dass Haßloch aller Wahrscheinlichkeit nach vor 455 n. Chr. gegründet worden ist, wahrscheinlich bald nach 374 n. Chr. bzw. nach der Anlage der Stockstraße, also noch in der Zeit des germanischen bzw. alemannischen Heidentums.

Übrigens: Der Übergang vom Heidentum zum katholischen Christentum in unserem Gebiet fällt ebenfalls in diesen Zeitraum. Dafür spricht das Ambrosiuskreuz, das wohl in ursächlichem Zuusammenhang mit dem Namen „Stockstraße“ steht. Wahrscheinlich nämlich, dass die Straße volkstümlich abgekürzt nach einem auffälligen Bildstock benannt wurde, an dem sie bei Haßloch vorbeiführte, und zwar nach einem längst verschollenen Bildstock des Hl. Ambrosius (+ 397 n. Chr.), Bischof der damaligen weströmischen Reichshauptstadt Mailand. Ambrosiuskreuz bedeutete einst, wieder in verkürzender Ausdrucksweise, wohl nichts anderes als „Ambrosiusstockkreuz“, „Kreuz am Ambrosiusstock“ (hierzu gibt es aber auch eine Sage, über die Sie unter der Rubrik „wenn Vergangenes lebendig wird“ mehr erfahren können.

Auf noch frühere Ansiedlungen in und um Haßloch führt möglicherweise der in Haßloch gefundene sog. „Schlangenstein“, Zeugnis heidnischer Verehrung des römischen Soldatengottes persischer Herkunft, Mithras, und damit sichtbarer Hinweis auch auf die römische Vergangenheit des Raumes vor 260 n. Chr. Und außerdem: Die bisherige Forschung hat längst eine von Mainz in den Raum Seilfurt und als „Steinweg“ weiter u. a. durch Haßlocher Gemarkung nach Dieburg, der damaligen römischen Civitas-Hauptstadt, führende Römerstraße vermutet, die auch das Vorhandensein eines 1962 in der Nähe des Ambrosiuskreuzes auf höchstem Punkt ausgegrabenen römischen Wachtturms (s. Foto und Skizze) logisch errscheinen läßt. Haßloch – das heißt tatsächliche Existenz eines Ortes Jahrhunderte früher als die erste urkundliche Erwähnung.